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Gast

Begegnungen auf der Reise Richtung Kinderbuch – Was niemand sieht...

Warum dich die Buchentstehungsgeschichte als Autorin verändern kann

Gastbeitrag von Susanne Maria Emka


Es war Juni 2019, der 25. Todestag meines Vaters, als mich mitten in der Nacht die Geschichte „Der Ölbaum zu Betlehem“ traf. Quasi „heaven sent“.

Ich konnte nicht wissen, auf welche Reise mich dieses Buchprojekt führen würde. Und hätte ich eine Ahnung davon gehabt, was am Wegesrand so wartet, hätte mich vielleicht der Mut schon im Vorhinein verlassen.

Heute, gut vier Jahre später, weiß ich: Die Buchreise ist manchmal packender, als jeder Abenteuertrip. Und sie macht etwas mit uns Autor*innen.

Warum es sich lohnt, dem Prozess und deiner Buchreise mit all ihren Höhen und Tiefen Beachtung zu schenken, möchte ich dir heute gerne am Beispiel meines Ölbaums (ausschließlich aus meiner Perspektive und in der Kurzversion!) näherbringen.

Susanne Emka KinderbuchManufaktur

Von der Vision zur Umsetzung

Mit dem „fertigen“ Manuskript, einer Nacherzählung der Weihnachtsgeschichte, begann im Spätsommer 2019 die Illustrator*innensuche, denn ich hatte von Beginn an eine ziemlich genaue Vorstellung im Kopf: Aquarelle in außergewöhnlicher Farbigkeit sollten es sein. Obwohl Verlage bekanntermaßen eher skeptisch auf Paketeinreichungen reagieren (noch dazu mit nischigem Inhalt), wollte ich genau das später mit dem Ölbaum versuchen.

Auf Etsy wurde ich fündig: Maria, eine Kiewer Aquarellkünstlerin, war nun an Bord. Mit Tonnen an Recherchematerial, meinem ersten Storyboardentwurf und einer englischen Übersetzung der Geschichte machten wir uns – über Länder- und Sprachgrenzen hinweg – ans Werk, ein gemeinsames Projekt zu entwickeln. Inzwischen war es Weihnachten, nicht nur in der Geschichte. Schon die ersten Skizzen begeisterten mich, hatte ich doch das Gefühl, dass Maria das zu Papier bringen konnte, was vorab nur in meinem Kopf existierte.

Schließlich stand ein Jahr nach jener Juninacht 2019 unser Buchbaby, fertig zur Einreichung.

Ein Grund zu feiern, möchte man meinen. Wäre es nicht der Juni 2020 gewesen …


Ein Virus lähmt die Welt

Die Welt struggelte mit Corona – natürlich auch die Verlage. Ein Nischenprojekt in dieser Krise unterzubringen schien aussichtslos. Ich legte weitere Bewerbungen vorerst auf Eis. Auch aus Angst vor Absagen für etwas, an das ich von Herzen glaubte. Und die kamen im Nachgang, denn Verlage schienen auch Schwierigkeiten zu haben, dieses „poetische Buch“ in ihr Programm zu integrieren. Zu riskant. Zu künstlerisch. Zu anspruchsvoll. Zu poetisch. Zu speziell. Aber: Man reagierte auf das Buch, auch mit sehr bewegenden Zeilen.

Den Verlag, der eigentlich am besten zu passen schien, hatte ich mir „aufgehoben“. Die Bewerbung darbte in meinem Entwürfe-Ordner des Mailanbieters weiter vor sich hin. Immerhin hatten wir inzwischen völlig andere Sorgen …


Ein Krieg nebenan

Schon seit Monaten spitzte sich die Lage in der Ukraine zu. Mit der zunehmenden Bedrohung wuchs die Angst um Maria. Plötzlich ging es buchstäblich um Fragen des Überlebens.

Am 24.02.2022 erfuhr ich durch eine ihrer Textnachrichten morgens um 4 Uhr vom Angriff auf die Ukraine. Maria war durch Explosionen geweckt worden.

Die Wochen danach waren selbst aus der Entfernung extrem belastend. Ich klebte förmlich am Handy. Jede Funkstille, die länger als einen halben Tag dauerte, machte mich panisch. Irgendwann drohte das Stromaus für Kiew. Ich sehe mich immer noch heulend am Handy eine Voicemail aufnehmen, von der ich befürchten musste, sie könnte einen Abschied für immer einläuten.

Meine Erleichterung über die Zeile „Ich stehe an der Grenze zu Polen!“ einige Wochen später war überwältigend. Aber Kriege traumatisieren und das Trauma bleibt nicht hinter der Grenze zurück.


Wie weitermachen?

Wenn ich mir heute die Chatverläufe im Messenger ansehe, wühlt das Vieles auf. Dabei war ich nur Zuschauerin irgendwo im sicheren Deutschland. Aber das Gefühl der Hilflosigkeit und die Angst um Maria und ihre Liebsten hat sich genauso in mein Gedächtnis eingebrannt wie die einzig halbwegs hilfreiche Taktik dagegen: Schreiben.

In dieser Zeit entstand eine Geschichte, die ich aus 44 Wörtern von 44 ukrainischen Kindern aus allen Landesteilen schrieb. Sie fand später sogar den Weg in ein Buch und auf eine Benefizveranstaltung mit besonderer Besetzung. Ob ich mich darüber freuen konnte? Nein. Wie auch? Zu viele schlimme Schicksale waren darin verwoben. Aber ich hatte das Gefühl, wenigstens ein leises Sprachrohr sein zu dürfen.

Maria war inzwischen über Polen nach England gereist. Von einem Leben dort hatte sie immer geträumt. Nur eben nicht so und nicht unter diesen Umständen. Sie führte ihre eigenen Kämpfe und versuchte, das Beste aus der Situation zu machen.

Es war inzwischen Mai 2022. Und in mir wuchs die Entschlossenheit, das Buch erneut anzubieten. Was sonst konnte ich Positives bewerkstelligen, als dieses Buch zum Erfolg zu führen?

So stieß ich auf meine im Postfach darbende Ölbaum-Bewerbung. Die hatte ich überhaupt nicht mehr auf dem Radar gehabt. Ich schickte sie an zwei Verlage los und wir hatten 14 Tage später von beiden Verlagen Vertragsangebote.


Heute ist „Der Ölbaum zu Betlehem“ Toptitel des Winterprogramms 2023 von Butzon & Bercker.


Warum? Weil es manchmal eine Extraportion Entschlossenheit braucht – von allen Seiten. Und weil das ganze Verlagsteam von Anfang an verstanden hat, was uns wichtig war.

Ob ich mich heute freuen kann? Ja, über die Maßen, denn es ist mehr als ein Buch … Ansatzweise kannst du jetzt vielleicht nachvollziehen, was ich damit meine.


Was nehme ich mit – was kannst du mitnehmen?

Die Reise ist noch nicht vorbei. Schließlich steht das fertige Buch gerade erst am Anfang seines angestrebten Ziels: die Leser*innen erreichen. Heute weiß ich: Alles ist möglich, deshalb gehe ich davon aus, dass viele bereichernde Begegnungen und vielleicht auch unerwartete Herausforderungen anstehen. Ich fühle mich stärker denn je auf dieser Buchreise.

Die Angst vor einem Nein habe ich verloren und das möchte ich auch dir mitgeben:


Wenn du an etwas von Herzen glaubst: Lass dich nicht beirren. Mut und Geduld werden belohnt. Fast immer findet sich ein Weg. Und wenn nicht? Probier es aus!


Was kannst du verlieren? Ein Nein ist kein Knüller, aber auch nicht mehr. Inzwischen definiere ich Mut völlig anders. Wer weiß, was um die nächste Ecke wartet? Heute bin ich froh um die Neins an den für das Buch falschen Stellen. Oft liegt das Ziel woanders, als wir es selbst verorten.

Nein, es ist nicht alles eine bloße Frage des Mindsets. Dagegen wehre ich mich. Aber klar ist auch: Ohne deinen Glauben an dich und dein Projekt überzeugst du auch niemand anderen. Darauf zu vertrauen, dass etwas klappen könnte, ist ein zentraler Punkt. Deshalb spielen trotzdem noch tausend Faktoren eine Rolle, die du nicht unmittelbar beeinflussen kannst. Aber DU bist dein bester Agent.


Bücher verbinden Menschen. Über ihre Inhalte, über ihren Entstehungsprozess. Was daraus wächst ist wertvoll für unser Schreiben, aber auch für uns als Persönlichkeiten. Die Begegnungen, die deine Buchreise dir ermöglicht, verändern dein Leben vielleicht mehr, als du denkst.


Kreativ sein zu können und zu dürfen ist ein Geschenk. Es ist nicht selbstverständlich. Trauma und Verlust beeinträchtigen diese Kreativität, mitunter massiv. Sei also wertschätzend ihr gegenüber, auch wenn sich der äußere Erfolg (noch) nicht einstellt.

In Sicherheit leben zu dürfen bedeutet auch, Verantwortung zu übernehmen, seine Stimme zu nutzen, für Wichtiges einzustehen. Das muss nicht „politisch“ sein. Wobei: Jede Form der Wertschätzung, des Positiven, Konstruktiven und Kreativen hat eine gesellschaftliche Dimension und das sollten wir nie vergessen.

Frieden ist nicht selbstverständlich – im Kleinen wie im Großen. Und Worte sind mächtig – im Kleinen wie im Großen. Lass uns daher Botschaften in die Welt hinaustragen, die wirkmächtiger sind als jedes feindselige Gedankengut, jede Waffe.

Erzähle deine Geschichte.

Leg einfach los!

Du kannst vorher nie wissen, welch wichtige Reise du mit ihr antreten wirst.


Susanne Maria Emka liebt Kinder- und Sachbücher so sehr wie Wildtiere, Bäume und Naturgärten.

Deshalb setzte sie nach vielen Jahren als Lehrkraft ein Studium als Sachbuchjournalistin drauf. Seither findet man sie in Schulen nur noch als (nicht bewertenden) Gast für Projekte und Lesungen.

Sie ist überzeugt, dass alles und jeder eine Geschichte hat …

Ihr Herzensprojekt „Der Ölbaum zu Betlehem“ erscheint Ende September 2023.

Mehr über Susanne und ihre Bücher erfährst du auf ihrer Website www.susanne-m-emka.de oder auf Instagram unter @susanne.m.emka

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