Wenn es auf dem Tower viel wird, muss man gleiche Dinge bündeln. Man geht dann nicht mehr auf individuelle Extrawünsche ein, dann läuft es zack, zack auf Schienen. Notfälle gehen immer vor, klar, alle anderen reihen sich in einer festgelegten Priorität ein. Emergency - Ambulanzflüge - große Jets - kleine Hobbyflieger - Schulungs-, Trainingsflüge - Extras wie Fallschirmspringer usw. (Flugsicherung vereinfacht dargestellt).
Gehen wir mal davon aus, wir haben keine Notfälle oder Ambulanzen – wenn 50 große Jets in einer Stunde bearbeitet werden müssten, bleibt der Rest mehr oder weniger stehen. Kleine Löcher werden genutzt, um noch mal eine Cessna oder einen Hubschrauber dazwischenzuzwicken.
Gleiches bündeln. Wenn viele kleine Cessnas aber raus müssen, dann in einem Schwups, dann habe ich nur einmal das Problem mit den langsamen Tretrollern (Zeitfresser!) und nicht ständig wieder, danach wieder die dicken Flieger.
Die Extras gehen eben nur in den Randzeiten, wenn wenig bis gar keine Jets fliegen. Das weiß ich und stelle mich und alle entsprechend darauf ein. Nachdem die Regeln gesetzt sind, und sich alle daran halten, muss ich das nicht diskutieren.
Das Flugzeug fliegt. Es kann nicht rechts ranfahren. Will sagen, ich muss alle verbundenen Probleme damit JETZT entscheiden und abarbeiten. Ich entscheide. Jetzt. Ich nehme keine Arbeit mit nach Hause.
Wenn es mir schlecht geht und ich abgelenkt bin, geht nichts weiter, also muss ich körperlich fit sein. Was muss ich tun, um körperlich fit zu sein? Ja es menschelt auch in der Flugsicherung, aber grundsätzlich sind wir darauf trainiert, uns auf Knopfdruck zu konzentrieren. Da ich vorher weiß, dass da die Stunde sein wird, wo ich mich zu konzentrieren habe, plane ich entsprechend vor.
Auf den Alltag angewandt:
Als ich mit dem Schreiben anfing, war ich alleinerziehend, meine Tochter war ca. 6 Jahre alt und ich hatte einen großen Hund. Wegen frisch erfolgter Umschulung auf Salzburg, fand ich Teilzeit arbeiten unprofessionell, mir fehlte für Salzburg Erfahrung, also Vollzeit Schichtdienst.
Damals habe ich die ersten Kapitel auf einem alten, kleinen Smartphone mit einer Schreib-App eingetippt. Jedes Notizprogramm tut's auch. In einer langweiligen Dienstpause, in der Stunde nachdem ich das Kind in den Kindergarten gebracht habe, bevor kochen, abholen, einkaufen usw. angesagt war – eben schnell was getippt, schon wieder eine Seite weiter.
Mich treibt eine Ungeduld, das fertige Produkt zu sehen. Gleichzeitig hetzt mich keiner, ich muss nicht davon leben. Wenn´s passt, passt´s, wenn nicht auch gut!
Und ich hatte IMMER eine Putzhilfe. Ich kaufte mir Zeit. Es gibt nichts Wertvolleres! Die Putzhilfe habe ich heute noch. Während sie nebenan bügelt, kann ich wunderbar schreiben! Das ist es mir wert! Sonst bleibt die Wäsche eben liegen. Punkt.
Ich habe für mich in hektischen Zeiten akzeptiert, dass ein wenig Fernsehen schauen mein Kind nicht verblödet und es stirbt auch nicht von Spaghetti viermal die Woche. Eine Sendung Löwenzahn sind wieder 20 Minuten Tippen für Mama. Hat auch oft damit geendet, dass ich mit Löwenzahn geschaut habe. Dann ist das eben so. GEDULD mit mir selbst!!!
Tippen - irgendwas. Ohne Stress.
Alles was raus muss. „Aufgeräumt“ wird später. Nimmt für mich den Druck, GUT zu schreiben. It is good enough – damit ich wieder schlafen kann und im Fluss bleibe.
Als Lotse ist anfangs auch nicht jede Entscheidung immer perfekt, manchmal ginge es geschickter, eleganter, schneller. Aber es kracht keiner zusammen und der Feinschliff kommt mit der Erfahrung. Ist mit Zeitmanagement und dem Schreiben genauso. Aber entscheiden muss man sich. Sofort. Jetzt. Dafür!
Heute habe ich nicht mehr den Monsterstress als Alleinerziehende oder mit Kleinkind. Trotzdem bündele ich Termine gerne. Alle Zeitfresser anpacken und abarbeiten. Das sehe ich schon im Monatskalender, wo Tage sind, an denen nichts geht und wo Löcher sind.
Die Löcher freihalten.
(Arbeitstag? Auf dem Weg einkaufen / zum Arzt / Post / vorkochen) – dann ist Freizeit auch wirklich frei. Und wenn dann die Bedürfnisse der Familie erfüllt sind, bin ich auch entspannt und kann MEINE Zeit nutzen. Mama macht Yoga oder schreibt ist dann die klare Ansage: STÖRT JETZT NICHT! Das ist natürlich mit kleinen Kids so fast nicht machbar: gnadenlos bestechen? Du hörst jetzt eine CD Bibi Blocksberg und störst mich nicht – dann … spielen wir/ toben wir …!
Ich hatte anfangs das schlechte Gewissen, jetzt bist du schon Vollzeit arbeiten und nicht für das Kind da, eine Schreib-, Yoga-, Ich-Zeit ist nicht auch noch drin, sonst hast du schon wieder keine Zeit.
Ich bin aber auch zickig und schlecht drauf und werde krank, wenn ich es nicht tue. Das ist langfristig für das Kind schlimmer. Das musste das Kind auch lernen. Oder der Partner.
Meine Tochter hat anfangs damit konkurriert, jetzt fängt sie an, mich zu kopieren, schreibt auch und wir diskutieren über Plots. Ich habe dem Kind also nicht nur über den Inhalt des Buches etwas weitergegeben, sondern auch über den puren Schreibakt. Selbstfürsorge ist ganz wichtig. Der Kreis schließt sich für mich. Wenn´s mir schlecht geht, stockt das ganze System, also muss es mir gutgehen.
Zusammenfassung:
„Lästige“, notwendige Termine bündeln, Prioritäten setzen (was nicht wichtig ist, muss warten!)
Entscheidungen sofort treffen und abarbeiten, nicht aufschieben,
Zeit „erkaufen“ durch Hilfe suchen oder Delegieren,
Regeln setzen,
ICH bestimme über meine freie Zeit, d.h. Absprachen und Teamwork mit der Familie. Dem Team geht’s nur gut, wenn es Allen gut geht.
An Tagen, wo viel los ist, es gar nicht erst versuchen.
Zeitlöcher pflegen und dann hemmungslos prokrastinieren, verbummeln oder eben – schreiben!
Uff. Jetzt habe ich diesen Text geschrieben. Eigentlich wollte ich an meinem Buch schreiben. Aber den Kopf hätte ich dafür nicht frei gehabt, weil mir dieses Thema mit den Schreibzeiten durchs Hirn schwirrte. Ist halt so. Ich hoffe, ihr könnt damit etwas anfangen. Ist ziemlich unplugged, was mir halt gerade so dazu einfiel und was rausmusste. Für mich funktioniert es, wird nicht für jeden so umsetzbar sein, ist mir schon klar. Jetzt werde ich dem Kind was „Ordentliches“ kochen, dann zum Tierarzt und dann … Habe erst wieder am Wochenende Dienst. Da ist also noch ein Zeitloch, ein großes...
Gerne Feedback, meldet euch, freue mich!
Gastbeitrag von:
Judith Spörl – Fluglotsin, Autorin und Mitglied der KinderbuchManufaktur
Seit 2016 veröffentlicht sie Kinderbücher zum Thema Segelfliegen und hofft damit die Herzen von kleinen oder großen Pilotinnen und Piloten – und solchen, die es noch werden wollen – zu erobern! Ihr Motto: "Auch beim Lesen wachsen Flügel".
Mehr von und über Judith auf ihrer Website:
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